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Fußballfans jubeln über Jogis Jungs

von Michael Wunder

Nordhalben: Eine kleine Tafel am Hauseck der Dorfschänke weißt bereits währende des Tages auf die Übertragung des Europameisterschaftsspiels der Deutschen hin.

Insider wissen es aber seit langem, denn beim „Christoph“ werden die Spiele der Deutschen Nationalmannschaft seit vielen Jahren auf Leinwand in der Scheune und im Biergarten übertragen. Beim betreten des Hinterhofs werden Erinnerungen wach, wo früher die Landwirtschaft eine wesentliche Bedeutung hatte, treffen sich Jung und Alt, um gemeinsam das Viertelfinalspiel der Deutschen gegen Griechenland anzuschauen. In der hintersten Reihe steht der „Stammtisch“ in dessen Mitte der Seniorchef, der Christophs Heiner auf einen großen Strohstuhl Platz genommen hat. „Hier gibt es kein hochtrabendes Public Viewing, sondern wir gucken nur gemeinsam das Fußballspiel an, erklärt mir ein älterer Besucher, als er mich mit meiner Fotoausrüstung trifft“. Eine Reihe weiter vorne, spricht ein „Stammgast“ der Gastwirtschaft die Besucher, größtenteils sind es immer die gleichen, welche zur Übertragung von Spielen kommen, an. „Dein Tipp, wie das Spiel ausgeht“, sagt er zu mir. Mein 1:0 Tipp wird in einer Liste notiert und so kann ich mir schon einen Platz im „Publikum“ aussuchen. Einzelne Plätze sind kurz vor Spielbeginn sowohl im Biergarten als auch in der „rauchfreien Zone“ in der Scheune noch frei. Dort wo vor Jahren noch Heu und Getreide eingelagert wurden, stehen Bierzeltgarnituren. An der hinteren Seite ist eine große Leinwand aufgebaut, auf der auch bereits die beiden Mannschaften im Kabinengang zu sehen sind. Die Seite der Scheune ist mit Getreidesäcken verziert und auf der anderen Seite ist noch einiges an Brennholz eingelagert. Auf den beiden vordersten Tischen sind Reserviert Schilder aufgestellt. Karin Zipfel erklärt mir, dass ihre „Clique“ eine Sonderstellung hat. „Wir sind bei jedem Länderspiel hier, deshalb wird für uns immer automatisch reserviert“, sagte sie. Als ich Platz genommen habe und nach oben schaue kann ich durch den offenen Schacht bis zum Dachboden nach oben sehen. Dort wurden früher die Getreidesäcke auf den Dachboden der Scheune gezogen. Nun aber pfeift der Unparteiische auch die Begegnung schon an. Die Deutschen legen auch gleich fulminant los und es waren noch keine zwei Minuten vergangen, als die beiden ersten Chancen vergeben wurden und jeweils ein raunen durch die Scheune ging. In der dritten Spielminute springen alle zum ersten Mal auf, Andre Schürle hatte ein Tor erzielt, es dauerte jedoch einen Moment, bis alle mitbekommen haben, das eine Abseitsstellung vorausgegangen war. Noch in der gleichen Minute wunderte ich mich, auf was Frauen beim Fußball alles achten. Als der Bundestrainer Joachim Löw eingeblendet wird, sagt Karin Zipfel neben mir. „Der hat doch sonst immer so schöne weiße Hemden an“, als er diesmal in einem längsgestreiften Hemd von außen rotiert. Vom Nebentisch aus der Tenne ruft bei der nächsten Szene ein Fan „raus den Mann“. Gemeint war allerdings nicht ein hart einsteigender Gegner, sondern Sebastian Schweinsteiger, der sich seinen zweiten Fehlpass leistet. Es war gerade eine Viertelstunde gespielt, als der Hausherr, der Christophs Heiner seine dritte Sitzgelegenheit einnahm. Nach einem Zwischenstopp in der Mitte der Besucher sitzt er nunmehr bei den Stammgästen ganz vorne. Auf der Leinwand sah man Chancen im Minutentakt, immer wieder geht – als Özil, Klose und Reus gute Möglichkeiten nicht nutzten können – ein lautes raunen durch die Massen. Als man in der 36 Minute ein weiteres Mal von den Plätzen aufsprang, war es jedoch passiert. Kapitän Philip Lahm hatte die Deutschen mit einem satten Schuss aus 16 Metern in Führung gebracht. „Das war ein Klasse Tor, da war richtig Wut dabei“, sagte Karin Zipfel neben mir. Kurz vor dem Halbzeitpfiff hatten die Deutschen eine weitere Chance, man traf jedoch nur das Außennetz. Als erneut alle wieder von ihren Plätzen aufsprangen, meinte die kleine Linda, die mir zwischenzeitlich bei ihren Papa gegenüber sitzt, cool „falsch gejubelt“. Dominik Kübrich war in der Halbzeit vor allem über die vielen Fehlentscheidungen des Schiedsrichters empört. „Das Spiel sei bis dahin gut gelaufen, lediglich die Chancenauswertung sei noch nicht zufriedenstellend“, sagte er. Der ehemalige aktive Fußballer und jetzige Vorsitzende des FCR Geroldsgrün Bernhard Singer sah in der ersten Halbzeit das erwartet, schwere Spiel. Die Griechen stehen in der defensive ganz gut, meinte er, vorne seien sie jedoch zu harmlos. Nach zehn Minuten in der zweiten Halbzeit stellte sich jedoch das Gegenteil heraus. Mit dem wirklich einzigen Konter hatten sie auch schon den Ausgleich erzielt. Die in der Scheuen eingekehrte Stille sollte jedoch nicht lange währen, denn bereits wenige Minuten später gab es wieder Grund zum Jubeln. Der Mittelfeldregisseur Sami Khedira bringt die Deutschen mit einem Kracher unter die Latte wieder in Führung. Ein gemeinsames Prost am Tisch und schon geht es weiter. Es folgen die gut herausgespielten Tore 3 und 4 durch Klose und Reus. Unverständnis kommt kurz vor Schluss auf, als der Schiedsrichter ein Handspiel sah und den Griechen einen Elfmeter zusprach. Letztendlich war das Spiel zu diesem Zeitpunkt jedoch schon zugunsten der Deutschen entschieden. Einige zieht es nach dem Schlusspfiff nach Hause, andere bleiben noch auf ein Bier bei guter Stimmung. Für das Halbfinalspiel am Donnerstag werden Verabredungen getroffen und noch über den Gegner diskutiert. Während der Bundestrainer eine erste Analyse zum Spiel gibt, kommt die Bedienung mit Freibier in Maßkrügen. Der Sieger des Tippspiels hat vor lauter Freude seinen Gewinn mit allen geteilt. mw

 

2012 - EM Public Viewing Christoph VI (23.06.12)

Stammtisch mit Seniorchef Heinrich Pöhnlein (Mitte) Foto: Michael

2012 - EM Public Viewing Christoph XV (23.06.12)

Monika Kürschner (links) und Sabine Wunder. Foto: Michael Wunder 

2012 - EM Public Viewing Christoph XXII (23.06.12)

Julia und Linda. Foto: Michael Wunder