Nordhalben: Am kommenden Montag jährt sich der Durchzug des Kaisers Napoleon, dem Alleinherrscher Frankreichs durch Nordhalben zum 200. Mal. Nachdem er sich 1804 selbst krönte und anschließend mehrere Kriege gegen wechselnde Koalitionen der europäischen Großmächte England, Österreich, Preußen und Russland führte, begann 1806 die Doppelschlacht von Jena und Auerstedt.
– von Michael Wunder –
Die schlimme Situation, besonders der Nordhalbener Bevölkerung während der wochenlangen Truppendurchzüge und Einquartierungen mit über 200.000 Soldaten sind heute kaum vorstellbar. Neben der französischen Armee, welche die alte Handelsstraße von Nürnberg nach Leipzig nahm, war es auch Kaiser Napoleon, der mit bürgerlichen Namen eigentlich Napoleon Buonaparte hieß, der durch Nordhalben reiste und dort sogar ein Frühstück einnahm. Einige Phantasiebegabte äußerten sogar die Behauptung, Napoleon habe die Schlacht von Jena und Auerstedt nur gewonnen, weil er vorher in Nordhalben so gut und stärkend verköstigt worden sei.
La guerre n`est pas declare`e – Der Krieg ist noch nicht erklärt
Bereits in den letzten Septembertagen haben französische Truppen die bayerische Nordgrenze erreicht. Interessant für den Nordhalbener Raum waren vor allem die Anordnungen von Marschall Bernadotte, welcher mit seiner Mannschaft von Bamberg nach Kronach zu marschieren hatte und die Zugänge über den Frankenwald und nach Sachsen zu besetzten hatte. Obwohl der Krieg zu diesem Zeitpunkt noch nicht erklärt war, sollte der Marschall seine gesamte Kavallerie oberhalb von Kronach platzieren, sein Hauptquartier aber zwischen Lichtenfels und Kronach einrichten. Anfang Oktober des Jahres 1806 erlebte Nordhalben einen Ansturm sondersgleichen, die französischen Truppen, die nunmehr zu Abertausenden durch den Ort zogen, waren keine Feinde, sondern Verbündete, was man jedoch aufgrund ihres Verhaltens nicht vermuten konnte. Die schnellen Reiter sollten sich am strategisch günstigen Zugang nach Sachsen festsetzen und die Straßenübergänge über die Berge in Richtung Thüringen – Sachsen besetzen. Hier gab es faktisch nur eine größere Passstraße, welche den Frankenwald querte, nämlich jene, die rodachaufwärts und über den Anstieg des Ködelbergs nach Nordhalben über Lobenstein, Saalburg und Schleiz führte. Diesen Weg nahm schließlich die stärkste Armee, welche Napoleon einen seiner fähigsten Generäle anvertraute. Am 6. Oktober trat der Aufmarsch in seine entscheidende Phase, die Truppen wurden in ihren Bereitstellungen für das Vorrücken über die Grenze eingewiesen. Der gesamte Nordhalbener Höhenrücken entlang der Straße vom Ködelberg bis hinauf zur Grenze, muss damals ein einziges Heerlager gewesen sein. Napoleon traf am 8. Oktober kommend von Bamberg in Kronach ein, wo er die Festung Rosenberg inspizierte. Noch am gleichen Tag gab es den Befehl: Einmarsch in die reußischen Fürstentümer und in die preußische Markgrafschaft. Damit begann von Nordhalben aus der Krieg gegen Preußen. Bereits in den frühen Morgenstunden des 9. Oktober traf Kaiser Napoleon in Nordhalben ein und nahm im "Hause des Richters" (ehemaliges Amtshaus) ein Frühstück ein. Man mag es kaum glauben, aber der Name des Ortes Nordhalben war dem mächtigsten Herrscher Europas zweifelsohne geläufig. Der Kaiser pflegte sich nämlich durch intensives Studium der Landkarten, die ihm stets in überraschend guter Qualität zur Verfügung standen, über die geographischen und topographischen Gegebenheiten der Landschaften genau zu informieren, durch die er seine Heere schickte. Er wusste, dass er bei Nordhalben die Grenze überschreiten werde, und wollte offenbar auf ein Pferd wechseln, um größere Beweglichkeit zu gewinnen. Bereits vorher ließ der Kaiser dem Marschall eine Nachricht übermitteln, dass in Nordhalben und Lobenstein Ruhemöglichkeiten für den in Pferdekutschen anreisenden Kaiser, und seine Begleitung vorbereitet werden. Auch das Hauptquartier wurde nach Nordhalben verlegte, was zu erheblich kürzeren Nachrichtenwege führte.
Der 9. Oktober 1806 war für Nordhalben in doppelter Hinsicht ein ganz besonderer Tag in der Geschichte. Neben dem Aufenthalt des Welteroberers Napoleon war auch der Generalstab der Grande Armee, der sich bereits einen Tag früher einfand und wahrscheinlich im Gebäude des Landgerichts übernachtete, in Nordhalben. Das ehemalige Amtshaus war also für einen Tag so etwas wie das Pentagon der französischen Armee. Damit war aber für Nordhalben die Sache noch nicht abgeschossen, sondern auch in den folgenden Tagen zogen weitere Eliteeinheiten durch den Ort. Auch blieben einige von Plünderungen und sogar dem Niederbrennen von Einzelgebäuden nicht verschont. Derartige Ausschreitungen gab es vor allem wenn enttäuschte Soldaten der nachrückenden Truppen nichts Essbares vorfanden. Auch gingen die Truppendurchzüge und die damit verbundenen schlimmen Begleiterscheinungen nicht spurlos an den Bürgern vorbei, welche über ein Jahr lang den rücksichtslosen Übergriffen der Soldaten ausgesetzt waren. mw