Nordhalben: Im Mai 1890 siedelte sich die Firma C.F.G. Schmidt mit der Herstellung von Zigarren in Nordhalben an und war damit die erste Oberfränkische Filiale. Zunächst produzierte man an drei verschiedenen Standorten mit rund 25 Mitarbeitern. Das Hauptwerk der Firma Schmidt, deren Produkte durch die Markenware Bachschmidt in aller Welt bekannt war, befand sich im benachbarten Lobenstein. Otto Schmidt, der das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt in zweiter Generation leitete, ließ im Jahr 1938 in Nordhalben die Zigarrenfabrik errichten. Neun Jahre später, als die alliierten Behörden das Stammhaus in Lobenstein vollständig enteigneten, wurde Nordhalben Hauptfirmensitz. Für Nordhalben war neben einigen kleinen Familienbetrieben vor allem die Firma C.F.G. Schmidt wirtschaftlich besonders bedeutsam. Es erwies sich besonders für viele Frauen als segensreich, dass viele Aufträge in Heimarbeit vergeben wurden. Gab es in der Zeit der Firmenansiedlung in Nordhalben noch um die 600 Arbeitslose, so herrschte in der Zeit des Fabrikbaues im Jahr 1938 Arbeitskräftemangel. Der Bau konnte aufgrund fehlender Arbeiter nur unter erschwerten Bedingungen erstellt werden. Mit dem Fabrikneubau neben der Klöppelschule gab es ein weiteres Aufblühen der Zigarrenindustrie, die Zahl der Beschäftigten stieg kontinuierlich bis zu 240 Mitarbeiter.
Zigarren sind ein Genußmittel und galten schon immer als Luxus- Erzeugnis. Die Tabakpflanze ist, ähnlich wie die Tomate oder Kartoffel, ein Nachtgewächs. Sowohl die Qualität als auch die Quantität des Naturprodukts hängen entscheidend vom Klima und den Witterungseinflüssen ab. Nach der Ernte werden die verschiedenen Blätter zunächst in luftigen Hallen einzeln aufgehängt und bis zur "Dachreife" getrocknet. Nach dem Fermentieren und dem anschließenden Gärprozeß, der einige Wochen dauert, hat der Tabak seine endgültige Farbe und Reife. Der in Ballen sortierte Tabak wird an die großen Tabakfirmen in aller Welt versteigert. Der überwiegende Teil wird zu Zigarren, Zigarillos und Zigaretten verarbeitet. Die edelste Form der Tabakwaren ist die Zigarre, zu deren Herstellung vor allem viel Wissen, Erfahrung und besondere Sorgfalt notwendig sind. Während der Aufbau mit Einlage, Umlage und Deckblatt allen Mitarbeitern bekannt war, so blieb vor allem die Mischung und Zusammensetzung des Tabaks strenges Geheimnis des Zigarrenmeisters. So wurden in Nordhalben beste Zigarren und Zigarillos gefertigt, welche kaum eine andere Firma herstellen konnte. Verpackt in Zedernholzkisten, welche auch in Nordhalben gefertigt wurden, wurden die Luxusartikel in alle Welt versandt. Mit dem Einzug von moderneren Verfahren und Maschinen wurde später der Personalstand drastisch verringert und die Heimarbeit wesentlich eingeschränkt. Kurz vor Weihnachten 1970 verkauft Otto Schmidt, trotz guter Auftragslage und Ausstattung der Firma, die Produktion an ein anderes Unternehmen in Westfalen. Rund 80 Frauen und Männer verloren ihren Arbeitsplatz in der Grenzgemeinde. Otto Schmidt selbst war bis zum Eintritt ins Rentenalter noch einige Zeit für die Herstellung der Bachschmidt- Zigarren bei dem einstigen Wettbewerber zuständig. Das Gebäude wurde vier Jahre später durch die Polstermöbelfirma Dietz übernommen.
Arbeitsplatz im Heimatmuseum
Einen typischen Heimarbeiterplatz richtete der Zigarrenmeister Karl Wunder (Gustl) im Nordhalbener Heimatmuseum ein. Er bestand im wesentlichen aus einer Ablage, einer Arbeitsfläche und einer Tabakkrippe für den Abfall. Da in der Regel lediglich die in der Fabrik vorgefertigten Wickel zurecht geschnitten und überrollt wurden, brauchte man für die ständig gleichen Arbeitsschritte nur wenige und einfache Geräte. Die Routine und die Fingerfertigkeit sowie der pflegerische Umgang mit dem Rohstoff der Heimarbeiter waren für die Qualität des Produktes mit entscheidend. Für jede Fasson und Zigarrengröße war ein anderer Zuschnitt der beiden Blatthälften notwendig. Es kam dabei besonders auf die Geschicklichkeit der Arbeiterinnen an, durch das Wenden und Stückeln der kleinen Deckblatt- Hälften den Wickel vollständig und gleichmäßig zu überrollen und mit speziellem Kleber zu fixieren. Dabei mussten sie besonders auf die Farbnuancen achten, um ein einheitliches Erscheinungsbild zu bekommen. Der in der Krippe gesammelte restliche Tabak wurde in kleinen Mengen für Einlagen weiter verwendet. Die ausgeschnittenen Rippen mussten hingegen von Zeit zu Zeit unter zollamtlicher Aufsicht vernichtet werden, weil Tabakwaren strengen staatlichen Steuergesetzen unterliegen. mw
Karl Wunder ist eine gefragte "Größe" wenn es um die Herstellung von Zigarren geht. Der ehemalige Meister seines Faches war über viele Jahre beim weltbekannten Hersteller Bachschmidt in Nordhalben beschäftigt. Foto: Michael Wunder