– von Michael Wunder –
Über die Geschehnisse des 19. März 1856, des schrecklichsten und schmerzlichsten Tages für Nordhalben seit dem Dreißigjährigen Krieg, sowie über den Wiederaufbau des Ortes, der Marienkapelle und der Pfarrkirche berichten wir in den nächsten drei Tagen in unserer Zeitung. Die Berichte beruhen auf Aussagen der Augenzeugen Andreas Stengel und Pfarrer Johann Stadter.
Der 19. März 1856, ein Tag der in Nordhalben nie vergessen wird. "Am Mittwoch, dem 19. März 1856, also am Sankt Josefstag (in der Karwoche), früh gegen 2 Uhr, wo bei einem hellen Mondschein der Markt Nordhalben überschattet war, wurde jeder Einwohner, mit ruhigem Gemüte im schönsten Schlaf liegend, durch den Ruf "Feuer", Läuten der Glocken, Wirbeln der Trommeln, in seiner Ruhe gestört. Das Feuer brach im Wohnhaus des Georg Wunder aus, die Entstehungsursache blieb bis heute ungeklärt. Der Brand griff bei dem so stark wütenden Nord- Ost- Wind, welcher schon eine ganze Woche vorher so arg hauste, dass die meistens aus Holz gebauten und mit Schindeln bedachten Gebäude ganz austrockneten, so schnell um sich, dass an eine Rettung nicht zu denken war, und nach Verlauf von zwei Stunden 158 Wohnhäuser und 167 Nebengebäude und Scheunen, welche mit 135 430 Florin (= Gulden) der Brandversicherungsanstalt einverleibt waren, ein Raub des verheerenden Elementes wurden. Der Mobiliarschaden wurde von Abgebrannten auf 124 010 Florin geschätzt, während nur wenige versichert waren und 24 080 Florin Entschädigung erhielten. Auch das Landgerichtsgebäude brannte vollständig aus. Die dort befindlichen Akten, Papiere und Unterlagen konnten bis auf wenige gerettet worden. Die Brandnacht forderte neben einen hohen Sachschaden auch vier Menschenleben, darunter ein Kind.
Das Feuer machte auch vor den Gotteshäusern nicht Halt
Das schöne, so manchem Trostlosen und Bedrängten Trost und Hilfe spendende Gotteshaus zu Sankt Bartholomae, dessen innere Einrichtung, insbesondere der Hochaltar, erst neu restauriert worden war, befand sich auch unter den abgebrannten Gebäuden. Es blieb nichts stehen als die nackten Mauern. Der Knopf am Turm wurde zuerst vom Feuer ergriffen und brannte abwärts bis auf die Mauern ab, so dass in einer Stunde dieser schöne Tempel total verzehrt war. Gerettet wurde nichts als die Monstranz mit dem Allerheiligsten, dem Ciborium, den Kelchen und einigen Paramenten. Alles Übrige musste der Wut der Flammen anheim gegeben werden. Die vier Glocken am Turm, das schönste
Geläut in der gesamten Umgebung, welche erst kurz vorher so hell und rein ihren Toten- Akkord anstimmten, schmolzen zusammen und fielen in Stücken herunter, wo sie in einem Schutthaufen begraben lagen.
Die Marienkapelle zur Unbefleckten Empfängnis Mariens (richtig: Mariä Heimsuchung) am äußersten Ende des Marktes in der Nähe des Brandursprungs gelegen, in der so mancher Hilfe suchende sein Herz der seligsten Jungfrau Maria ausschütten konnte und gewiss nicht ohne Hilfe und Linderung zurückkehrte, wurde, nachdem der Wind eine andere Richtung genommen hatte, am Dachfirst vom Feuer ergriffen, welches sich im Nu auf dem Dach verbreitete, so dass die Kapelle ein Raub der Flammen wurde. Gerettet wurde der Tabernakel nebst einigen Kirchenparamenten. Die auf dem Turm befindliche Uhr, trotz des Feuers noch keine Gefahr befürchtend, ging in ihrem Lauf ungestört fort und wollte eben den schwer heimgesuchten Einwohnern Nordhalbens die vierte Stunde verkünden, allein beim dritten Schlag wurde dieselbe vom Feuer ergriffen, in ihrem Lauf gehemmt und mit dem einstürzenden Gebälk heruntergerissen. Das Jammern der Menschen, welche mit ihrer geringen Habe auf den Feldern standen, größtenteils nur notdürftig in dieser Kälte bekleidet, das Suchen der Eltern nach ihren Kindern und der Kinder nach ihren Eltern, das Herumspringen und Brüllen des Viehs ist nicht zu beschreiben. Schaudervoll und herzzerreißend waren diese Szene. Halb verzweifelt sah man Menschen umherlaufen, die Ruinen ihrer vor zwei Stunden noch bewohnten Gebäude anstarrend. Doch Gott, der Wunden schlägt, ist vermögend, solche auch wieder zu heilen. Schon am nächsten Tag wurden Viktualien aller Art hergeliefert und verteilt. Die Abgebrannten wurden von den benachbarten Dörfern und Höfen und von denen, die verschont geblieben waren, aufgenommen.

Vor 150 Jahren – der große Brand in Nordhalben Teil I
- Geschrieben von Michael Wunder
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