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verdeckt und getarnt - Techniken und Methoden der Stasi

von Michael Wunder Nordhalben: Neben der Ausstellung welche unter dem „Deckmantel verdeckt und getarnt – Technik und Methoden der geheimen Beobachtung stand – wies der Verein Grenzfahrten e.V. im „Haus des Gastes“ in Nordhalben auf verschiedene Dinge rund um die ehemalige Grenze hin. Die Ausstellung des Ministeriums für Staatssicherheit, welches 1950 gegründet wurde, hatte anfangs 2700 hautamtliche Mitarbeiter, die Zahl erhöhte sich bis zum Zusammenfall der ehemaligen DDR auf mehr als 91.000. Flächendeckend überzog ein Netz von Bezirksverwaltungen und Kreisdienststellen der Staatssicherheit die DDR. In der Nähe unserer ehemaligen Grenze war in Gera eine Bezirksverwaltung mit rund 2.400 hautamtlichen Mitarbeitern eingerichtet. Dazu kamen noch rund 6.300 inoffizielle Mitarbeiter, was unter dem Strich im Bezirk Gera je 20 Einwohner einen Spitzel der Stasi bedeutete. Die höchst interessante Ausstellung ist überregional und bezieht sich auf die gesamte ehemalige Grenze. Sie zeigt, mit welchen „Einfallsreichtum und Erfindergeist“ die eigene Bevölkerung observiert wurde. In eindrucksvoller Weise wurde den vielen, meist überregionalen Besuchern anhand von Schautafeln und zahlreichen Exponaten der Schrecken des DDR-Regimes dargestellt. Mobile Beobachtungen aus Fahrzeugen, Telefonüberwachungen, Einsatz von versteckten Kameras in Handtaschen und Benzinkanistern, der Einbau von Wanzen in Wohnungen sowie der Beschaffung und der Einsatz der „West-Technik“, all diese menschenunwürdigen Tugenden sind in der Ausstellung, welche noch in dieser Woche geöffnet ist, zu sehen. Der Vorsitzende des Vereins Grenzfahrten e.V. Oliver Pozelt bezeichnete bei der Ausstellungseröffnung die deutsche Teilung als ein Schicksal für viele Menschen. Man hab sich seitens seines noch recht jungen Vereins deshalb Gedanken gemacht, wie man gerade für junge Menschen ein Alleinstellungsmerkmal erreichen kann. Die Antwort gebe man mit Grenzfahrten auf dem Kolonnenweg mit dem Unimog. Bürgermeister Josef Daum sagte, dass im System der ehemaligen DDR nicht alles falsch war, die menschenverachtenden Methoden jedoch die Bürger systematisch kaputt gemacht haben. Wichtig sei es heute, fast zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall, dass man die „Finger in die Wunden“ legt und durch solche Veranstaltungen auf die missliche Situation aufmerksam macht. Auch der stellvertretende Landrat Gerhard Wunder unterstrich das Ansinnen der aktiven Aufarbeitung der jüngeren Zeitgeschichte. Das Motto müsse hinschauen und dürfe nicht wegschauen heißen, so Wunder. Er dankte im Namen des Landkreises dem Verein Grenzfahrten e.V., welcher mit verschiedenen Aktionen auf das Kapitel der deutschen Geschichte hinweist. Der Vertreter der Stasi-Unterlagensicherungsbehörde, Peter Grysko, zeigte sich überrascht über das außergewöhnlich große Interesse und wies auf einige „Kniffs“ in den Stasi-Akten hin. Wie er weiter sagte, habe sich die Bespitzelung für die Stasi-Mitarbeiter finanziell in keinster Weise gelohnt und keine finanzielle Basis gegeben. Schon vor der offiziellen Eröffnung der Ausstellung lauschten zahlreiche Besucher den Ausführungen von Otmar Adler und Segelflieger Ludwig Simon, welche Anfang der achtziger Jahre einen „Schwarzflug“ für Luftaufnahmen über Titschendorf durchführten. Ludwig Simon, inzwischen Segelfluglehrer, sagte, dass man sich zu dieser Zeit als „junge Burschen“ der Lage nicht bewusst war. Erst später habe man die Tragweite des „Geheimflugs“ erkannt und er seine Segelfliegerlizenz gefährdete. Dies alles sei auch ein Grund gewesen, weshalb man über diesen Flug, der auch nicht im Flugbuch niedergeschrieben wurde, über Jahrzehnte „Stillschweigen“ bewahrt habe. Die drei Meilenzone entlang der ehemaligen Grenze sei als absolute Flugverbotszone erklärt worden und Ausnahmen seien selbst dem Luftsportclub bei einem Jubiläumsfest nicht gestattet worden. Noch einen Schritt weiter ging Otmar Adler, der damals als Fotograf an Bord war, zurück. Er berichtete bereits aus Zeiten vor der Grenzziehung und den Aktionen „Ungeziefer“ im Jahr 1952 und „Festigung“ im Jahr 1961. Flüchtlinge – mittlerweile in der gesamten westlichen Region verteilt – hätten sich in der Folgezeit noch in regelmäßigen Abständen in Nordhalben getroffen, weil eine Rückkehr in ihre Heimat nicht mehr möglich war, berichtete Otmar Adler. Märsche zum nahegelegenen Buckenberg, von dort habe man stets versucht einen Blick in den Osten zu werfen, waren stets auf dem Programm. Die Techniken der Anfang der 70er Jahre aufkommenden Infrarot Fernbedienungen machten sich auch das Ministerium für Staatssicherheit, die Grenztruppen und Agenten zu Eigen und setzten vollkommen abhörsicheren Lichtsprechgeräte ein. Michael Wolf erläuterte die Einsatzmöglichkeiten und führte die Geräte den Besuchern auch vor. Wie er sagte, sei man erst kurz vor der Grenzöffnung durch einen Zufall auf die Geräte gestoßen. Der Nachmittag stand im Zeichen des Romans ‚Grenzfall’ von Egon Matyasik. Einige spannende Passagen aus dem Leben des ehemaligen Grenzpolizisten wurden von der imponierenden Diana Müller sehr einprägsam vorgetragen und von Gustav Humann vom Netzwerk für Demokratie souverän moderiert. Der Autor ging im Anschluss ausführlich auf die vielen Fragen aus dem interessierten Publikum und des Moderators ein. Nicht zuletzt aufgrund der regen Rückmeldungen stehen am kommenden Donnerstag Mitarbeiter der Unterlagensicherungsbehörde noch einmal für Anträge auf Akteneinsicht von 10-18 Uhr zur Verfügung. Anschließend präsentiert Grenzfahrten e.V. den Kinofilm „Mit dem Wind nach Westen“ im „Haus des Gastes“. Gezeigt wird die abenteuerliche Fluchtgeschichte zweier Familien, die zusammengepfercht auf einer winzigen Gondel, getragen von einem riesigen, selbst genähten Heißluftballon über die Grenze flogen. Peter Strelzyk, dessen Ballonflucht die Vorlage für den Film lieferte, eröffnet den Abend. Der Eintritt ist frei. mw


Michael Wolf (links) führte den Besuchern das Lichtsprechgerät vor. Foto: Michael Wunder


Interessierte Bürger aus Ost und West besuchten die Ausstellung verdeckt und getarnt im „Haus des Gastes“ in Nordhalben. Foto: Michael Wunder