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Ein neues Werk zur Geschichte Nordhalbens im 20. Jahrhundert

Nordhalben: Vor anderthalb Jahren erst war es den Brüdern Dr. Harald und Horst Wunder möglich gewesen, die autobiografischen Aufzeichnungen des Roten-Görch (Georg Wunder, 1899 – 1980) zu veröffentlichen, in denen er Lebensumstände und Dorfgeschehen in Nordhalben während der ereignisreichen 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts beschrieben hatte.

Nun können sie gewissermaßen eine Art Fortsetzung vorstellen. Heiner Pöhnlein (geb. 1930), in der Gemeinde wohlbekannt als Christophs-Heiner, hat in seiner Niederschrift in 25 Großkapiteln das erzählt, was er seit den Dreißigerjahren bis um 2000 selbst erlebt oder von Verwandten und Bekannten gehört hat.

Seine Eltern betrieben eine kleine Landwirtschaft mit Holzhandel und Fuhrgeschäft (Ochsengespann) und dazu eine Gaststätte, in der ursprünglich Bier aus dem hiesigen Kommunbier- Brauhaus ausgeschenkt wurde. Seine Kindheit wurde geprägt durch das Dritte Reich, das den gerade Fünfzehnjährigen mit seinen gleichaltrigen Schulkameraden noch kurz vor Kriegsende zum Volkssturm zwang. Mit der lebendigen Schilderung seiner aufregenden Erlebnisse als Kindersoldat im April 1945 ist er für jene dramatischen Tage einer jener wichtigen Zeitzeugen, die altersbedingt immer weniger werden.

Nach Kriegsende trat er, einziger Sohn unter sechs Geschwistern, seinem Vater im Familienbetrieb an die Seite und wuchs so sehr bald in eine Vielzahl von Berufen hinein: Er wurde Land- und Forstwirt, Holzhändler und Mühlherr, Fuhrmann und Gastwirt. So hatte er Einblick in viele Berufsfelder und konnte als junger Mensch die einschneidenden Veränderungen und Entwicklungen in der turbulenten Nachkriegszeit aus verschiedenen Blickwinkeln verfolgen. Er hat sie in mehreren Großkapiteln eindrucksvoll beschrieben: die Überwindung der entsetzlichen Kriegsschrecken, Hunger, Not und Schwarzmarktgeschäfte und nicht zuletzt die Errichtung des Eisernen Vorhangs, der im Norden und Osten auf Nordhalbener Gemeindegrenze verlief.

Anfangs war die Zonengrenze erstaunlicherweise noch recht durchlässig. Es gab sogar 1949/50 halb geduldete Fußballspiele gegen das thüringische Wurzbach, die wegen der heimlichen Grenzübertritte unter geradezu abenteuerlichen Umständen stattfanden, und an denen der Heiner als Torwart selbst teilnahm. Die Grenze wurde aber schließlich undurchdringlich und schnitt die Gemeinde völlig von ihren thüringischen Nachbarn ab. Zu ihnen hatten bis dahin vielfältige persönliche, verwandtschaftliche und wirtschaftliche Beziehungen bestanden, wie hier immer wieder gezeigt wird. Diese Entwicklung – bis hinein in die Achtzigerjahre – hat der Verfasser durch die Schilderung von gut 30 oft höchst dramatischen Ereignissen und Einzelschicksalen für die Zukunft festgehalten.

In diesem Zusammenhang erinnert er auch daran, dass – nach Berichten von Verwandten und Bekannten – in der Vorkriegszeit immer wieder Nordhalbener Wilderer in den nahen reußischen Wäldern zugange waren, ohne große Verfolgungen befürchten zu müssen, denn an der Landesgrenze endeten die Befugnisse der thüringischen Förster. Dieser Abschnitt dürfte für manche Nordhalbener noch einige Überraschungen enthalten.

Ausführlich lässt der Autor das Leben der Kleinbauern und Kleingütler wieder lebendig werden, wie es hier bis ca. 1960 gelebt wurde (mit Berichten u. a. über Mähen, Dreschen, Hausschlachtungen und Gemeindebullen – auch über Ährenlesen, „Örfelstupfeln“ und „Kratzen“), dazu beschreibt er Bräuche wie das „Leichbesitzen“ oder die alten Kinderspiele (z. B. Kippel-Kappel, Gengla, Räuber und Schanzer). Er skizziert die untergegangenen Welten der Flößer und der früher sehr zahlreichen Fuhrleute, zu denen der Christophs-Heiner einst selbst gehörte, und setzt den 13 verschwundenen Schneidmühlen der Umgebung und ihren „Schneumüllern“ ein sehr lebendiges Denkmal.

Sehr persönlich gehalten sind schließlich seine Urteile und Meinungen zu den verwirklichten und nicht verwirklichten Großbauplänen der vergangenen Jahrzehnte (Trinkwassertalsperre, Nordwaldhalle – Flurbereinigung, Dorferneuerung). Gleichermaßen deutlich treten seine persönlichen Empfindungen auch im Schlusskapitel hervor, in dem er die Grenzöffnung 1989 und seine ersten Besuche in den thüringischen Nachbarorten schildert.

Autor und Herausgeber werden dieses neue Werk zur jüngeren Geschichte Nordhalbens in einer besonderen Veranstaltung des Frankenwaldvereins am Donnerstag, 18. März, um 19.30 Uhr im Hotel „Zur Post“ der Öffentlichkeit vorstellen und einige besondere Kapitel daraus vortragen. Alle heimatgeschichtlich Interessierten sind zu dieser Buchpräsentation herzlich eingeladen. mw

 

002 Christophs-Heiner

Der Christophs- Heiner heute, in wenigen Tagen feiert er seinen 80. Geburtstag. Foto: Privat