Schlagzeilen:

Als die Industrialisierung begann

Geroldsgrün: Geordnete Moderne zwischen Frankenwald und Fichtelgebirge war der hochinteressante Titel des Vortrags von Adrian Roßner.

Anders als andere Doktoranten war der junge Akademiker nicht nur mit Büchern beschäftigt, sondern draußen bei den Menschen. „Ich wollte einfach wissen, was bei den Leuten alles auf dem Dachboden steht“, sagte Roßner zum jüngst abgelegten Doktor Titel. Ihm habe nicht nur das System der kleinteiligen Landwirtschaft ab dem 13 Jahrhundert interessiert, sondern auch wie die Leute zu dieser Zeit bereits andere Pflanzen wie Flachs gewonnen hätten. Die kühlen Temperaturen seien zu dieser Zeit – im 17 Jahrhundert war es noch schwieriger – nicht gerade vom Vorteil für die Landwirte gewesen. Um noch rentierlich wirtschaften zu können mussten die Vertriebswege kurz sein. Es gab in jeden Dörfla eine Verkaufsmöglichkeit. Als später neue Rohstoffe wie Leinen und Baumwolle importiert wurden, waren speziell die Verleger gefragt. Ihnen war klar, dass sie nicht nur das Geld „abschöpfen“ können, weil alle in der Kette aufeinander angewiesen waren. Meist habe man gegen den Erzrivalen Sachsen, die auch bessere Wasserkraft hatten, das Nachsehen. Die Mechanisierung wurde teilweise auch abgelehnt, so auch vom Stadtrat Hof, als man neben der Saale Windkraftanlagen bauen wollte. Als Begründung war die Rücksicht auf die vorhandenen Mühlen zu verzeichnen. König Ludwig I war zudem ein Gegner der Eisenbahn, so dass man auch eine schlechte Anbindung hatte. Die geplante Frankenwald- und Fichtelgebirgsbahn wurden aus Geldmangel nicht verwirklicht. Erst im 19 Jahrhundert war ein Pendeln der Arbeiter von den Dörfern in die Städte möglich. Bereits zuvor gab es im Raum Münchberg durch die Bundweberei und erste chemische Färberei einen Aufschwung. Die Arbeitsordnung sah zu dieser Zeit bereits vor, dass man auf dem Land an sechs Tagen zwischen zwölf und 15 Stunden arbeitete und in den Firmen nur an fünf Tagen zu je zehn Stunden. Um sich gegenseitig zu unterstützen, wurden neben den Wandervereinen auch Krankenuntersützungsvereine und Ortsverschönerungsvereine gegründet. Die Firmen merkten wie wichtig die Arbeitskräfte vor Ort waren und bauten durch Baugenossenschaften Arbeiterwohnhäuser. Die Infrastruktur mit Wasserversorgung und elektrischen Licht wurde aufgebaut und die Menschen wussten die Kultur zu schätzen. In Hof wurde eine elektrische Straßenbahn aufgebaut. Es war eine neue, bis dahin unbekannte Urbanität, die Oberfranken in jener Zeit prägte und die die Region schon bald zu einem der deutschen Industriezentren werden ließ. Spezialisierung und hochwertige Kleinproduktion im Vergleich zur billigen Massenware stellten den Kern dieser Systems dar. Zum Vortrag in Geroldsgrün hatte der Kulturverein und die vhs eingeladen.

2022 - Geroldsgrün Adrian Roßner II (09.10.22)

Andreas Kübrich überreichte im Namen der Geroldsgrüner an den frisch gebackenen Doktor einen selbst gebauten Doktorhut. Foto: Michael Wunder